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Glas mit sicherem Bruchverhalten nach DIN 18008:
Beim Endverbraucher zwingend?

Immer wieder kommt es zu Fragen von ausführenden Betrieben zum Thema „Glas mit sicherem Bruchverhalten“ – etwa beim privaten Wohnungsbau von Endverbrauchern. Also gerade dort, wo der Handwerker zumeist ohne einen Architekten den Auftrag abwickelt und die sogenannte „Fachbauleitung“ selbst übernimmt.

Es hat sich gezeigt, dass immer noch viele Fachberater und Sachverständige von verunsicherten Betriebsleitern und Endverbrauchern um Rat gefragt werden, wenn es darum geht, ob und wann denn nun Glas mit sicherem Bruchverhalten eingesetzt werden muss. Diese Zusammenfassung soll eine Hilfestellung sein, um sich der Antwort besser nähern zu können.

Zur Erinnerung: Die derzeit in allen Bundesländern in den Landesbauordnungen (LBO) als allgemeinverbindlich geltende DIN 18008-1:2019 macht in Abschnitt 5.1.4. Aussagen zur Verwendung von „Glas mit sicherem Bruchverhalten im Bauwesen“. Es wird auf die gesetzlichen Anforderungen verwiesen und die bauordnungsrechtliche Regelung aus Abs. (2) der MBO §37 „Fenster, Türen, sonstige Öffnungen“ genannt, die wie folgt lautet:
1. Glastüren und andere Glasflächen, die bis zum Fußboden allgemein zugänglicher Verkehrsflächen herabreichen, sind so zu kennzeichnen, dass sie leicht erkannt werden können.
2. Weitere Schutzmaßnahmen sind für größere Glasflächen vorzusehen, wenn dies die Verkehrssicherheit erfordert.

Die genaue Formulierung kann in den einzelnen LBO leicht variieren. Vom Verfasser dieser Stellungnahme sind einige Wörter im Text hervorgehoben worden.
Schon an dieser Stelle sei erwähnt, dass aus Kommentaren zu  §37 (2) MBO hervorgeht, dass die Formulierung „allgemein zugänglicher Verkehrsflächen“ in der Regel nicht den Privatbereich einschließt.
Allerdings bedeutet das nicht, dass Verletzungen im privaten Bereich keine Rolle spielen!

Um eine Risikobewertung zu erleichtern und die Verwendung von Glas mit sicherem Bruchverhalten in der Praxis umsetzen zu können, haben sich eine Vielzahl von Verbänden zusammengeschlossen und im Oktober 2019 eine Empfehlung veröffentlicht, die Transparenz „ins Trübe“ bringen soll.

Das Verbändepapier „Verkehrssicherheit bei verglasten Türen und bodentiefen Verglasungen ohne Absturzsicherung“ ist daraus als Ergebnis entstanden. Dennoch gibt es immer wieder Fragen zum Verständnis und der „Leseart“ des Verbändepapiers, die teilweise zu Verunsicherung führen.

Erläuterung:
Mit Fokus auf den „privaten Wohnungsbau“ hat der Verfasser dieses Verbändepapier nachstehend nun auszugsweise erläutert. (Dieses trifft in der Regel dann zu, wenn keine Festlegung durch planerische Vorgaben, wie z.B. in öffentlichen Gebäuden, Kindergärten, Schulen, Gewerbebauten oder ähnlichem, vorliegen. Also dann, wenn nicht bereits Glas mit sicherem Bruchverhalten zwingend verwendet werden muss oder durch den Planer vorgeschrieben ist.)  Hierbei hat sich der Unterzeichner erlaubt, Textstellen besonders kenntlich zu machen bzw. hervorzuheben, um in der Folge die Zusammenhänge besser deutlich machen zu können.

Vorab bleibt festzuhalten, dass die Verfasser des Verbändepapiers nach intensiver Auswertung von Publikationen nur eine sehr geringe Zahl an schwerwiegenden Verletzungen durch Anstoßen oder brechendes Glas feststellen konnten. Demnach sind Verletzungen sehr selten, aber nicht ganz ausgeschlossen.

Unter Top 5 geht das Papier auf diese Eintrittswahrscheinlichkeit von Glasbruch näher ein. Daher ist folgendes festzuhalten:

5.1 Sehr geringe Eintrittswahrscheinlichkeit von Glasbruch

• Die Verkehrssicherheit ist gegeben und keine zusätzliche Maßnahme erforderlich, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit von Glasbruch sehr gering ist. Dies ist in der Regel dann gegeben, wenn:
• die Abmessung der lichten Glasöffnung ≤ 300 mm oder ≤ 0,2 m² für Isolierglas oder ≤ 200 mm für eine Glasscheibe beträgt,
• bodentiefe Fenster sich außerhalb von Laufwegen befinden,
• Balkontüren mit geringer Strecke sich vor oder hinter der Verglasung befinden
• es sich um Räume seltener Anwesenheit (z. B. Abstellräume, Lagerräume, Kellerräume) handelt.

5.2 Höhere Eintrittswahrscheinlichkeit von Glasbruch

• Die Eintrittswahrscheinlichkeit von Glasbruch wird höher beurteilt für folgende Fälle, wenn die vorherigen Angaben in Abschnitt 5.1 nicht zutreffen:
• Verglasungen in Laufrichtung von Laufwegen, das geöffnete Element (Flügel) ragt in einen Laufweg
• verglaste Türen mit Verletzungsrisiko und Ganzglastüren
• Glas(trenn)wände
• auf der Außenseite von Verglasungen in Zugangs- und Eingangsbereichen

Für den Fall der höheren Eintrittswahrscheinlichkeit von Glasbruch ist das vorliegende Risiko ggf. unter Berücksichtigung bereits vorhandener Schutzmaßnahmen genauer zu beurteilen.

Unter Top 6. führt das Papier beispielhafte Lösungsansätze für Schutzmaßnahmen auf, die hier mit Sicht auf den Sachverhalt „privater Wohnungsbau“ wiedergegeben werden.

6. Liste beispielhafter Schutzmaßnahmen sortiert nach zunehmender Risikominderung:

• besondere Kenntlichmachung (z. B. durch Aufkleber, Bedrucken, Satinieren)
• bewegliche Einrichtungen vor dem Fenster, die einen Zugang verhindern
• Nutzerkreis einweisen bzw. einschränken
• Fensterbank oder Holm vor dem Glas
• dauerhaft bepflanzte Schutzzone
• Heizkörper vor der Verglasung
• Geländer
• Sprossen-Vorsatzrahmen
• Verbauung, zum Beispiel durch Stufe(n) oder Podest vor dem Glas abhängig von Höhe (≥200 mm) und Tiefe (≥200 mm) der Verbauung
• Glas mit sicherem Bruchverhalten (ESG, VSG, Folien)

Weiterhin heißt es in Bezug zu möglichen Ausschlussgründen für eine Verglasung mit sicherem Bruchverhalten:

Ist eine Verglasung aufgrund der Farbtönung, Rahmenanordnung/-abstände, Griffe u. ä. erkennbar, braucht diese nicht zusätzlich gekennzeichnet zu werden.

In der Zusammenfassung heißt das, dass für den „privaten Wohnungsbau“ – also für den nicht öffentlichen Bereich – die Kernaussagen des Verbändepapieres zur verpflichtenden Verwendung von Glas mit sicherem Bruchverhalten folgendermaßen festgehalten werden können::

• „Privater Bereich“ ist nicht allgemein zugänglich: Die Verpflichtung trifft nicht zu!
• Balkontür hat nur einen geringen „Anlaufweg“ zur Verglasung: Die Verpflichtung entfällt.
• Besondere Kenntlichmachung nur dann, wenn nicht z.B. durch Rahmenanordnung und Griff erkennbar. Dies trifft auf fast alle Balkontürverglasungen zu (denn diese haben in der Regel einen deutlich sichtbaren Rahmen): Die Verpflichtung entfällt.

Abschließende Beurteilung des Verfassers:
Für das Bauen im „privaten Wohnungsbau“ (Einfamilienhaus. / Wohnungsbau / Sanierung im Wohnungsbau / Bestand) ohne gesonderte Vorgaben eines Planers bedeutet dies: In der Regel besteht keine Verpflichtung zu Glas mit sicherem Bruchverhalten!

Allerdings wird angeregt, dem Endverbraucher eine Empfehlung zu Glas mit sicherem Bruchverhalten auszusprechen. Sofern dieser ein erhöhtes Risikopotential sieht, kann dieses gerne einsetzt werden. Es handelt sich dann jedoch meist um eine Zusatzleistung, die i. d. R. gesondert zu vergüten ist.